Viele Lehrer*innen haben das Gefühl, dass die Bereitschaft zur Gewalt zugenommen hat. Statistisch vollständig untermauerbar scheint dieses Gefühl aber nicht; zumindest nicht, wenn man beispielsweise die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) in Niedersachsen zugrunde legt. Denn, den Ausführungen im „Niedersachsen Survey“ des Kriminologischen Forschungsinstituts folgend, hat sich scheinbar die Zahl der Gewaltdelikte laut PKS nicht wesentlich verändert.
Allerdings ist zu beobachten, dass zum einen der Umgangston deutlich rauer geworden zu sein scheint. Damit ist besonders der Umgang zwischen den Schüler*innen gemeint, der sich häufig durch gravierende Beschimpfungen in rassistischer, sexistischer oder auch allgemein herabsetzender, beleidigender und ehrverletzender Weise zeigt. Dies wiederum führt dann ggf. zur Eskalation. Im Übrigen pflegen in Teilen auch Eltern gegenüber Lehrer*innen einen häufiger fordernden bis unangemessenen Ton. Es wäre die Frage zu stellen, ob jeweils Teile davon bereits ggf. als verbale Gewalt zu interpretieren wären.
Insgesamt ist auffällig, dass eine gewisse Erosion in Bezug auf Respekt vor der Schule und deren Mitarbeiter*innen, wie übrigens auch vor anderen öffentlichen Einrichtungen, festzustellen ist. Zum Beispiel ist in Schulen zu konstatieren, dass insbesondere in urbanen Settings die Quantität an disziplinarischen Verfehlungen zugenommen zu haben scheint. Dies betrifft neben einfachen Verfehlungen wie z.B. Unpünktlichkeiten oder Fehlzeiten, auch Gewalttätigkeiten, wie körperliche Auseinandersetzungen, die aber nicht Einfluss in die PKS finden, weil sie möglicherweise gar nicht bei der Polizei angezeigt werden.
Festzustellen ist auf jeden Fall in der Zeit nach der Pandemie sehr wohl eine deutliche Zunahme an Klassenkonferenzen als Disziplinarkonferenzen, die Folge von Fehlverhalten von Schüler*innen sind. Dies kann ich aber nicht statistisch belegen, sondern nur meine Beobachtungen zugrunde legen. Ähnliche Trends scheinen sich auch in Verhaltensweisen in der Gesellschaft außerhalb von Schulen abzuzeichnen.
Wird Gewalt zunehmend ein größeres Problem an Schulen?
Beobachtungen unseres Verbandes zur Folge hat zumindest scheinbar die Bereitschaft zu respektlosem Verhalten zugenommen und darüber auch die Bereitschaft zu verbaler Gewalt.
Wie reagieren die Schulen in Deutschland darauf?
Präventiv reagieren viele Schulen darauf, indem versucht wird, Schulsozialarbeit auszubauen, wenn gleich hier oft Ressourcen in Form von Zeit, Personal und Finanzen nicht in ausreichendem Maße vorhanden zu sein scheinen. Dabei werden häufig regionale und lokale Netzwerke zur Zusammenarbeit zum Beispiel mit den Schulträgern, der Jugendhilfe, der Polizei und anderen Akteuren gebildet, um zum einen mögliche Ursachen zu ergründen und andererseits aber entsprechend Möglichkeiten zur Intervention zu fixieren. Insgesamt scheint es von größerer Wichtigkeit zu werden, dass Schulen und damit auch Lehrer*innen, mehr und mehr Erziehungsaufgaben aus den Familien übernehmen. Diese Trends sind bereits in der Elementar- und der Primarstufe zu erkennen: viele Eltern scheinen mit der Erziehung ihrer Kinder extrem gefordert zu sein, viele benötigen dabei Hilfe.
Interventiv gehen Schulen seit einiger Zeit restriktiver mit den zur Verfügung stehenden Mitteln und Maßnahmen auf Basis der schulgesetzlichen Vorgaben um.
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Was muss getan werden, um Vandalismus und Gewalt an Schulen zu verhindern?
Hier wäre ein Blick in Richtung der Ursachen ggf. sinnvoll. Sind diese Auswirkungen eher Ergebnis von „jugendlichem Überschwang“ im Sinne eines sich „Ausprobierens“, einer „Nichtkenntnis von Grenzen“? Oder sind sie im gewaltkriminellen Bereich zu verorten, die entsprechend zielgerichtet und intendiert sind und dann auch ggf. anders sanktioniert werden müssten?
Klar ist, dass keine solcher Taten zu akzeptieren ist und sie entsprechende, deutliche Reaktionen nötig machen.
Sinnvoll bleibt aber, sich über die Ursachen Gedanken zu machen, denn damit einher geht auch die Frage nach möglichen Hemmschwellen. Will sagen: ist die Hemmschwelle zur Zerstörung von Objekten ggf. höher, wenn sich alles im guten und gepflegten Zustand befindet? Ist die Hemmschwelle dazu, Gewalt gegen Menschen auszuüben ggf. höher, wenn sich mögliche Täter durchgehend wertschätzend behandelt und als „gesehen“ betrachten?
Genügt das Engagement, zur Verhinderung von Gewalt an Schulen?
Schulen versuchen, wie beschrieben, sowohl präventiv als auch in der Situation zu reagieren. Schwierig wird es aber, wenn Ressourcen und damit Reaktionsmöglichkeiten fehlen oder Schüler*innen das Gefühl haben, von der Gesellschaft abgehängt und mit weniger Chancen ausgestattet zu sein. Wenn sie ein Gefühl erhalten, ungerecht behandelt zu werden und damit schlechter gestellt zu sein, schleichen sich möglicherweise ungute Verhaltensweisen ein.
Sind Kinder und Jugendliche an ihren Schulen sicher?
Ja. Schüler*innen sind in Schulen mindestens ebenso sicher, wie in anderen Kontexten. Schulen haben durch den engen Kontakt mit den Schüler*innen die Möglichkeit, frühzeitig mögliche Schwierigkeiten und Verhaltensauffälligkeiten zu erkennen und zu reagieren.
Welche Unterstützung fordert der ASD?
Damit Schulen die Möglichkeit erhalten, adäquat vor allem präventiv tätig zu werden, braucht es eine auskömmliche Ausstattung mit Personal und finanziellen Mitteln. Allerdings ist dabei zu berücksichtigen, dass jede Schule in ihrem speziellen sozio-ökonomischen Umfeld aktiv ist – eine Verteilung nach Gießkannenart ist einer Lösung nicht zuträglich. Vielmehr sollten hier die speziellen lokalen und regionalen Gegebenheiten ausschlaggebend sein, entsprechende Beurteilungskriterien können und sollten erstellt werden. Es ist unabdingbar, die Punkte Bildungsgerechtigkeit und Chancengleichheit (wieder) verstärkt in den Blick zu nehmen und zu versuchen, entstandene gesellschaftliche „Unrundheiten“ auszugleichen.
Sven Winkler, 01.04.2024