Einsatz von KI in Schule

A) Grundsätzlich

Echte Bildungsgerechtigkeit existiert aktuell nicht. Die Anzahl an abgehängten Schüler*innen nimmt stetig zu. Bildungsgerechtigkeit kann erst bei einer gerechten Ressourcenverteilung und bei gerechten Unterstützungsmöglichkeiten entstehen.

KI ist für bestimmte Adressaten, z.B. bildungsferne Kreise keineswegs eine schnelle Lösung zum Erreichen von Bildungszielen. Im Gegenteil ist zu befürchten, dass kurzfristig lediglich bildungsnahe oder (finanziell) besser gestellte Kreise profitieren und sich die Schere der Ungleichheit weiter und weiter öffnet.

Die Realität zeigt zwar, dass KI in der Gesellschaft bereits fest verankert ist – doch ein verantwortungsbewusster Umgang damit muss erst erlernt werden. 

Fraglich ist in diesem Zusammenhang auch, ob überhaupt alle Schüler*innen und Bevölkerungsteile ein Interesse an dieser Entwicklung haben oder ob Schule dieses erst wecken muss.

Bei einem unkontrollierten Einsatz von KI besteht das Risiko, dass basale Kulturtechniken wie zum Beispiel der Schriftspracherwerb, ein grundsätzliches Zahlverständnis aber ebenso Regeln einer gesellschaftlichen Grundordnung nicht mehr erlernt und verinnerlicht werden. Dieses Risiko besteht auch hinsichtlich des Erwerbs eines notwendigen Überblickswissens, was zur Bewertung hinsichtlich „wahr/falsch“ elementar ist. Dies bezieht sich auch zum Beispiel auf dafür nötige Metakompetenzen und einer Diskussion von diesen zugrundeliegenden Werten. Es ist unabdingbar, parallel eine gesellschaftlich initiierte Wertediskussion zu führen, die freiheitlich-demokratische Anforderungen zugrunde legt. 

Dies zieht nach sich, dass echte Menschen als elementare Vorbilder fungieren müssen. Notwendig ist dazu, dass persönliche, vertrauensvolle und belastbare Beziehungen und Bindungen ent- und langfristig bestehen. Schule, im weitesten Sinne und mit allen Akteuren, übernimmt hier mehr und mehr Aufgaben aus den Familien. 

Für Schule ergibt sich damit eine besondere Bedeutung hinsichtlich einer Ungleichverteilung von Macht und Einflussmöglichkeiten durch Schule, ist sie doch nicht durchgängig ein Ort, an dem Schüler*innen sich freiwillig aufhalten. Die zukünftige Nutzung von KI erfordert ein neues Verständnis von Schule als „Lebensraum“ sowohl in inhaltlicher und baulicher Hinsicht. Schule muss als „geschützter Ort“ für Schüler*innen entstehen oder erhalten bleiben und gewinnt weiter an Bedeutung. Lehrkräfte müssen sich zunehmend auch als „Lerncoaches“ verstehen besonders um durch ihre Persönlichkeit Vertrauen zu schaffen.

B) Chancen und Risiken beim Einsatz von KI an ausgewählten Beispielen:

  1. Spracherwerb

Zentral besteht ein Unterschied beim Einfluss von KI auf den primären Spracherwerb und den Fremdspracherwerb.

Ein primärer Spracherwerb korreliert neuronal mit vielen Aspekten, und er bleibt daher ein zentraler Aspekt von jedwedem Lernen. Vermutlich wird KI primären Spracherwerb nicht ersetzen können.

Bereits jetzt ist im schulischen Lernen in dieser Hinsicht ein deutlicher Einfluss von Digitaler Technik zu verzeichnen. Das betrifft zum Beispiel Toi-Stifte, Schreiblernlehrgänge und weiteres.

Es ist zu erwarten, dass hier zukünftig durch KI unterstützte Software zum Einsatz kommen wird, die diagnostizieren, gezielt fördern und schriftlichen und mündlichen Spracherwerb befördern kann.

Hierin besteht ein erhebliches Risiko, wenn nicht ausreichend deutlich wird, wie wichtig Beziehungsarbeit für gelingendes Lernen ist. Dies gilt besonders auch für den Spracherwerb durch lebende Sprachvorbilder wie Lehrkräften, Erzieher*innen. Diese Aufgabe haben Eltern, KiTas und die Schule gemeinsam.

Anders als beim primären Spracherwerb wird KI wird den Fremdspracherwerb massiv verändern. Dazu ergeben sich Fragen wie: wird es eine Lingua Franca geben? Wird KI das gesellschaftliche Leben und den Dialog von Menschen insgesamt noch mehr als bisher verändern? Weil Übersetzungsmöglichkeiten bereits jetzt schon so gut sind und stetig verbessert werden: wird der Erwerb von Fremdsprachen überflüssig? Steckt hinter dem Erlernen einer Sprache mehr als das Beherrschen einer Sprache? 

2. Kulturelle Bildung, Kreativität sowie Individualisierung

Es bedarf einer Klärung, auf welchen Fakten erfragte Ergebnisse auch in Zukunft basieren werden. Die Weiterentwicklung von KI und deren verstärkter Einsatz in Bildung ist insbesondere vor dem Hintergrund der Generierung von Fakten im Verhältnis von derivativem Wissen zu Originalquellen zu betrachten.

Konkret entstehen hier möglicherweise Effekte wie z.B. in einer Verzerrung und Ungenauigkeit. Denn: wenn die Daten, auf denen KI-Modelle trainiert werden, bereits verzerrt oder ungenau sind, kann dies zu einer Verstärkung dieser Mängel führen. Solche Verzerrungen können durch die Art der Datensammlung, die Auswahl der Datenquellen oder die Art der Datenverarbeitung entstehen. Auch kann ein Verlust von Nuancen und Kontext eintreten, da derivative Daten dazu neigen, bestimmte Details oder Kontextinformationen zu verlieren, die in den Originaldaten vielleicht vorhanden waren. KI-Systeme, die auf solchen abgeleiteten Daten trainiert werden, könnten wichtige Nuancen übersehen, die für korrekte Entscheidungsfindungen notwendig sind. Auch hinsichtlich einer Übergeneralisierung entstehen Risiken, weil KI-Modelle, die auf einer eingeschränkten oder vereinfachten Darstellung der Realität basieren, ggf. übergeneralisierte Schlussfolgerungen ziehen. Das kann besonders zu Problemen führen, wenn KI in Szenarien angewendet wird, die von den Trainingsdaten abweichen. Nicht zuletzt kann die Transparenz und eine Nachvollziehbarkeit tangiert sein, denn es kann schwierig werden, die Entscheidungsfindung von KI-Systemen nachzuvollziehen. Dies entsteht besonders, wenn die zugrundeliegenden Daten und deren Quellen nicht klar sind. Das Fehlen von Transparenz kann das Vertrauen in KI-Anwendungen untergraben und ihre Akzeptanz erschweren oder schlicht zu falschen Annahmen und in der Folge zu falschen Entscheidungen führen.

Grundsätzlich müssen Nutzer*innen in die Lage versetzt werden, Ergebnisse einschätzen und bewerten zu können. Sie müssen, um adäquate Ergebnisse zu erzielen, über ein faktenbasiertes Basiswissen verfügen. Auch für die Formulierung von Prompts, auf deren Basis sich dann erst adäquate Ergebnisse ergeben können, müssen Kompetenzen bei den Fragenden zunächst vorhanden sein. Um dies zu erreichen, sind wiederum nach wie vor Lehrer*innen als Lernbegleiter*innen nötig – und diese müssen eben auch selber auf Basis gesicherter Fakten ausgebildet worden sein.

KI gibt aber andererseits auch die Möglichkeit, individualisierte Lernwege und -erfolge zu generieren. Dies kann zum Beispiel durch personalisierte Inhalte und Ressourcen erreicht werden, indem KI verwendet wird, um kulturelle Inhalte und kreative Aufgaben auf die Interessen und den Kenntnisstand der Lernenden abzustimmen. Beispielsweise könnten KI-Systeme analysieren, welche Kunstformen oder kulturellen Themen Lernende besonders ansprechen, und dann spezialisierte Materialien oder Projekte vorschlagen, die diese Interessen weiter vertiefen.

Auch hinsichtlich interaktiver Lernwerkzeuge bieten KI-gesteuerte Tools interessante Möglichkeiten: so könnten virtuelle Museumsführungen oder interaktive Musik- und Kunstplattformen Lernende auf kreative Weise in kulturelle Themen einführen. Durch die Verwendung von Augmented Reality (AR) oder Virtual Reality (VR) könnte KI immersive Lernerfahrungen schaffen, die sonst aufgrund geografischer oder finanzieller Einschränkungen unzugänglich wären. In Bezug auf Feedback und Bewertung kann KI in der kreativen Bildung dazu genutzt werden, individuelles Feedback zu künstlerischen Arbeiten zu geben. Durch die Analyse von Mustern, Techniken und Stilen kann KI konstruktive Rückmeldungen und Vorschläge zur Verbesserung bieten, die speziell auf die individuelle Arbeit des Lernenden abgestimmt sind auch unabhängig von Bewertungsfehlern wie u.a. dem Halo-Effekt, Stereotypisierung oder auch schlicht dem Anlegen subjektiver Kriterien. KI kann auch als Inspirationsquelle dienen, indem sie Vorschläge und Ideen generiert, die Lernende in ihren kreativen Projekten ausproboieren können. Beispielsweise könnte ein KI-System basierend auf aktuellen Trends in der Kunstszene oder unter Berücksichtigung historischer Kunstbewegungen innovative Projektpläne oder Kunststile vorschlagen. nicht zuletzt können auch in der kulturellen Bildung adaptive Lernsysteme eingesetzt werden, um den Fortschritt der Lernenden zu verfolgen und eine Lehrplanung dynamisch anzupassen, damit diese den sich entwickelnden Fähigkeiten und Interessen der Lernenden entspricht. Solche Systeme können auch dazu beitragen, kulturelle und kreative Bildungsprogramme inklusiver und zugänglicher zu machen, indem sie Barrieren abbauen, die durch traditionelle Lehrmethoden entstehen können.

Schulleitung trifft die Verantwortung, diese Prozesse zu initiieren und zu begleiten.

Soziale Bildung und Demokratiebildung

Es besteht eine Gefahr, wenn Informationen „unbewertet“ zur Verfügung gestellt werden. Schule erhält die Aufgabe hier als Gegengewicht zur Individualisierung das soziale Lernen stärker in den Fokus stellen. Teamarbeit, Kooperation, Kritikfähigkeit, müssen erlernt und trainiert werden. Auch ein barrierefreier Zugang zu KI kann als Chance genutzt werden, um Schüler*innen unabhängig ihres sozialen Status etc. miteinander zu vernetzten. Allerdings müssen Lehrkräfte und Schulleitungen noch viel mehr als bislang die Verantwortung dafür übernehmen, als Vorbilder Orientierung zu geben, um unsere allgemein gültigen Werte zu vermitteln. 

Schule muss noch mehr als bislang den Menschen mit seiner ganzen Emotionalität (Liebe, Frust, Empathie, …) in den Fokus nehmen, ihm Möglichkeiten bieten, Selbstwirksamkeit im Sinne von Partizipation zu erfahren und zu erleben, während KI unterstützend den Zugang zu Wissen nutzbar macht. 

Schule ist zunehmend die Institution, in der junge Menschen die Werte unserer demokratisch-freiheitlichen Grundordnung erfahren und deren Bedeutung für unsere zukünftige Gesellschaft erfahren können. Eine Basis dazu bietet dazu die konsequente Zugrundelegung des 4K-Modell des Lernens.

Durch Interdisziplinäres Lernen muss eine Verknüpfung von Theorie und Praxis z.B. durch realitätsnahe Simulationen und Projekte erreicht werden. Es ist absolut notwendig, dass jenseits allen faktenbasierten Wissenserwerbs die Förderung von Empathie und ethischer Reflexion z.B. durch Rollenspiele und Szenarioanalysen sichergestellt wird. KI kann zur Analyse von Lernfortschritten und zur personalisierten Anpassung von Lernwegen eingesetzt werden, um sicherzustellen, dass alle vier Ks kontinuierlich gefördert werden, ein Evaluation von Lernfortschritten wird damit ermöglicht.

KI kann im Bereich der sozialen Bildung und Demokratiebildung genutzt werden, um das 4K-Modell (Kommunikation, Kollaboration, Kreativität, Kritisches Denken) zu unterstützen und zu verstärken. 

So können die Kommunikationsfähigkeiten durch KI verbessert werden, indem Spracherkennungs- und Übersetzungstools angeboten werden, die Barrieren zwischen verschiedenen Sprachen abbauen. Darüber hinaus können KI-basierte Chatbots verwendet werden, um Diskussionen zu fördern und Lernende in simulierte Dialoge einzubeziehen, die ihr Verständnis für demokratische Prozesse vertiefen. KI kann effektive Zusammenarbeit auch über große Entfernungen hinweg ermöglichen. Plattformen, die KI nutzen, können Gruppenarbeit koordinieren, Aufgaben verteilen und den Fortschritt überwachen. KI-Systeme können auch dabei helfen, die Gruppendynamik zu analysieren und Vorschläge zur Verbesserung der Teamarbeit un damit der Kollaboration zu machen. KI kann dazu beitragen, kreative Lösungen für gesellschaftliche Herausforderungen z.B. durch KI-gestützte Design- und Brainstorming-Tools zu entwickeln. Neue Perspektiven und innovative Ansätze können gefördert werden, indem sie vielleicht zu unkonventionellen und kreativen Verbindungen zwischen bestehenden Ideen anregen. Durch die Analyse komplexer Daten kann KI Simulationen durchführen, die Lernenden helfen, z.B. die Auswirkungen politischer Entscheidungen oder gesellschaftlicher Veränderungen zu verstehen. Solche Werkzeige können auch zur Entwicklung kritischen Denkens beitragen, indem Szenarien entstehenbieten, die eine sorgfältige Analyse und Bewertung erfordern.

Sven Winkler, 01.05.2024