Zur politischen Diskussion über die Krisenvorbereitung von Schüler*innen durch Schulen

In den vergangenen Wochen haben politische Vertreterinnen und Vertreter auf Bundes- und Landesebene angeregt, Schülerinnen und Schüler verstärkt auf Krisen-, Katastrophen- oder gar Kriegssituationen vorzubereiten. Der Allgemeine Schulleitungsverband Deutschlands (ASD) verfolgt diese Debatte mit großem Interesse, aber auch mit deutlicher Skepsis. Schulen tragen Verantwortung für Bildung, Erziehung und soziale Stabilität – doch sie dürfen nicht zu Instrumenten sicherheitspolitischer Symbolpolitik werden.

1. Bildung statt Bedrohung

Schulen sind Orte des Lernens, der Entwicklung und der Zuversicht. Sie fördern Selbstvertrauen, Empathie und Verantwortungsbewusstsein – Grundlagen einer resilienten Gesellschaft.

Krisenvorbereitung kann pädagogisch sinnvoll sein, wenn sie junge Menschen befähigt, mit Unsicherheit, Wandel und Konflikten verantwortungsvoll umzugehen.

Sie wird jedoch problematisch, wenn sie vor allem der Verängstigung, Disziplinierung oder symbolischen Krisenbewältigung dient.

Kinder und Jugendliche benötigen keine „Trainings zum Überleben“, sondern Kompetenzen, um in schwierigen Zeiten handlungsfähig, solidarisch und zuversichtlich zu bleiben. Schule kann hierzu beitragen – aber nur in einem Rahmen, der pädagogisch verantwortet, altersgerecht und klar abgegrenzt ist.

2. Verantwortung und Zuständigkeiten klären

Die jüngsten politischen Vorschläge zur schulischen Krisenvorbereitung verkennen vielfach die rechtlichen und organisatorischen Realitäten:

  • Zivilschutz und Katastrophenvorsorge sind Aufgaben des Bundes, der Länder und der Kommunen – nicht der Schulen.
  • Lehrkräfte sind pädagogische Fachkräfte, keine Krisenmanager oder Katastrophentrainer.
  • Wenn Schulen zusätzliche Aufgaben übernehmen sollen, braucht es klare Zuständigkeiten, belastbare Konzepte und Ressourcen: Zeit, Fortbildung, Fachpersonal, Material und rechtliche Rahmenbedingungen.

Eine pauschale Übertragung solcher Aufgaben auf Schulen ohne diese Voraussetzungen wäre unverantwortlich und würde die ohnehin hohe Belastung von Schulleitungen und Kollegien weiter erhöhen.

3. Pädagogische Balance: Resilienz statt Angst

Der ASD bekennt sich ausdrücklich zu einer Bildung, die Kinder und Jugendliche stärkt. Dazu gehören auch Themen wie Selbstschutz, Erste Hilfe, soziales Miteinander, Demokratiebildung und Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE). Solche Formate vermitteln Handlungsfähigkeit, fördern kritisches Denken und stärken das Vertrauen in gesellschaftliche Institutionen.

Eine „Krisenvorbereitung“ im engeren Sinne – etwa durch Pflichtstunden zu Notfall- oder Kriegsszenarien – birgt hingegen das Risiko einer emotionalen Überforderung und vor allem einer falschen Schwerpunktsetzung.

Statt Angst zu schüren, sollte Schule Räume für Fragen, Dialog und Sinnfindung schaffen: Wie gehen wir mit Unsicherheit um? Wie unterstützen wir einander? Was gibt uns Halt?

Eine solche Perspektive ist nicht weniger realistisch, sondern pädagogisch nachhaltiger!

4. Die Rolle der Schulleitungen

Schulleitungen tragen in Krisenzeiten ohnehin eine enorme Verantwortung: Sie koordinieren Notfallpläne, Krisenteams, Kommunikation mit Behörden und Eltern, sie sorgen für Orientierung im Kollegium und Schutz für die Schulgemeinschaft.

Eine zusätzliche, politisch motivierte Ausweitung des Auftrags in Richtung „gesellschaftlicher Krisenvorbereitung“ würde diese Verantwortung unverhältnismäßig erhöhen.

ASD-Vorsitzender Sven Winkler: „Schulleitungen leisten bereits heute einen zentralen Beitrag zur Stabilität unserer Gesellschaft. Wer Schulen als Orte der Krisenprävention stärken will, muss sie entlasten, nicht weiter belasten.“

5. Empfehlungen und Forderungen des ASD

Der Allgemeine Schulleitungsverband Deutschlands (ASD) spricht sich für einen pädagogisch fundierten, realistischen Ansatz aus, der auf Resilienzbildung, demokratisches Lernen und praktische Lebenskompetenzen zielt. Dazu zählt zunächst eine klare Abgrenzung schulischer Aufgaben gegenüber sicherheits- und verteidigungspolitischen Interessen ebenso wie die verbindliche Abstimmung zwischen Bund, Ländern und Kommunen sowie den Schulen, bevor neue Aufgaben übertragen werden. Es braucht dazu den Ausbau von Bildungsangeboten, die Resilienz, Zivilcourage, Kooperation und Selbstwirksamkeit fördern. Sinnvoll ist sicherlich die Stärkung schulischer Krisenteams und deren professioneller Unterstützung, statt pauschaler Pflichten für alle Lehrkräfte. Abschließend ist sicherzustellen, dass durch Forschung und Evaluation die Fragen erörtert werden, wie Schülerinnen und Schüler altersgerecht mit Krisen- und Konfliktthemen umgehen können.

6. Fazit

Der ASD unterstützt alle Bemühungen, junge Menschen stark zu machen für die Herausforderungen der Gegenwart und Zukunft. Er lehnt jedoch Maßnahmen ab, die Schule in ein sicherheitspolitisches Instrument verwandeln oder Kinder mit Bedrohungsszenarien konfrontieren, die pädagogisch nicht verantwortbar sind.

Sven Winkler dazu: „Krisenkompetenz entsteht nicht durch Alarmübungen, sondern durch Bildung, Dialog und Vertrauen. Schulen stärken unsere Gesellschaft am besten, wenn sie Orte bleiben, an denen junge Menschen Mut, Empathie und Verantwortung lernen – nicht Angst.“