1. Ausgangslage
Die Erfahrungen der vergangenen Jahre haben gezeigt, dass Distanzunterricht ein wesentlicher Bestandteil schulischer Handlungsfähigkeit in Krisenzeiten sein kann – sei es in Pandemielagen, bei regionalen Schulschließungen oder aus infrastrukturellen Gründen.
Gleichzeitig hat sich die schulische Realität gewandelt: Lernen findet längst nicht mehr ausschließlich im Klassenraum statt. Digitale Lernumgebungen, hybride Formate und individualisierte Lernpfade gehören zunehmend zum pädagogischen Alltag.
Trotzdem ist der Begriff Distanzunterricht in den Schulgesetzen der Länder bislang nicht oder nur sehr unzureichend verankert. Meist stützen sich Schulen auf Verwaltungsvorschriften, Erlasse oder temporäre Regelungen.
2. Rechtssicherheit und Steuerungsverantwortung
Aus Sicht des ASD ist es an der Zeit, diese Rechtsunsicherheiten zu beseitigen. Eine gesetzliche Regelung würde sowohl Schulen als auch Schulleitungen eine klare Grundlage bieten, um z.B. digitale Unterrichtsformen rechtssicher und pädagogisch verantwortet zu gestalten.
Es bedarf hierzu einer verbindlichen Klärung zentraler Fragen, etwa:
Wie erfüllt Distanzunterricht die Schulpflicht?
Welche Anforderungen gelten für Leistungsbewertung und Zeugniserstellung?
Welche Rechte und Pflichten haben Lehrkräfte im digitalen Unterrichtsraum?
Wie sind Datenschutz, Aufsichtspflicht und technische Verantwortung geregelt?
Schulleitungen stehen in der Verantwortung, zwischen pädagogischen Möglichkeiten und Bedarfen sowie rechtlicher Absicherung zu vermitteln. Eine Verankerung im Schulgesetz würde dazu die nötige Rechtssicherheit geben.
3. Chancen einer gesetzlichen Regelung
Eine Gesetzliche Verankerung kann, pädagogische Innovation ermöglichen (z. B. Blended Learning, Projektarbeit über Standorte hinweg), individuelle Förderung auch bei Krankheit, Mobilitätseinschränkungen oder längeren Fehlzeiten sicherzustellen. Durch klare Regelungen können Kooperationen zwischen Schulen (z. B. bei seltenen Fächern oder Kurskombinationen) erleichtert sowie digitale Kompetenzenvon Lehrkräften und Schüler*innen systematisch gefördert werden. Eine gesetzliche Grundlage kann zugleich den Auftrag stärken, digitale Souveränität und Medienkompetenz systematisch in allen Schulstufen zu fördern. Nicht zuletzt könnten in strukturschwache Regionen gleichwertige Bildungsangebote wie in stärkeren Regionen ermöglicht werden.
Aber: Distanzunterricht darf dabei nicht als Ersatz, sondern lediglich als pädagogische Ergänzung des Präsenzunterrichts verstanden werden – eingebettet in klare Qualitätsstandards, technische Mindestvoraussetzungen und verbindliche Unterstützungsstrukturen.
4. Risiken, Klärungsbedarf und Verantwortungsverteilung
Der ASD erkennt die Chancen von gesetzlichen Regelungen ausdrücklich an, sieht aber zugleich Risiken, die bei der Ausgestaltung sorgfältig berücksichtigt werden müssen. Exemplarisch seien hier genannt, die Gefährdung des sozialen Lernens, nicht nur in der Primarstufe, wenn Präsenzlernen häufig ersetzt wird. Außerdem entstehen ggf. Disparitäten durch technische und soziale Unterschiede zwischen Familien und Regionen.
Eine Überlastung von Lehrkräften und Schulleitungen muss ausgeschlossen sein, auch wenn digitale Formate ohne Anpassung der Arbeitszeitmodelle eingeführt werden sollten. Zu berücksichtigen ist auch die Gefahr der Zweckentfremdung, etwa wenn Distanzunterricht zur Kompensation struktureller Defizite wie Lehrkräftemangel oder Raumnot eingesetzt würde.
Letztlich müssen auch Datenschutz- und Aufsichtsfragen vor einer Einführung klar geregelt werden.
Darüber hinaus weist der ASD ausdrücklich darauf hin, dass eine gesetzliche Verankerung keinesfalls zu einer weiteren Verantwortungsverschiebung auf die Schulleitungen führen darf.
Die Verantwortung für den erfolgreichen Einsatz von Distanzunterricht muss gemeinsam bei Land, Schulträgern und Schulen liegen. Dazu bedarf es unbedingt verbindlicher Regelungen zu Infrastruktur, technischer Unterstützung, Personalressourcen und Fortbildung. Es muss sichergestellt sein, dass für technische und organisatorische Unterstützung – beginnend beim First-Level-Support – schulnahe, aber externe Ressourcen dauerhaft bereitstehen
Letztlich darf der Bildungserfolg einzelner Schulen und ihrer Schüler*innen nicht von der individuellen Motivation oder Belastbarkeit der jeweiligen Schulleitung abhängen, sondern muss strukturell abgesichert sein. Insgesamt wird Distanzunterricht erst durch klare Zuständigkeiten und verbindliche Unterstützungsstrukturen zu einem verlässlichen Bestandteil schulischer Bildung – und eben nicht zu einer zusätzlichen Belastungsebene für Leitung und Kollegium.
5. Fazit
Der Allgemeine Schulleitungsverband Deutschlands begrüßt die Idee, Distanzunterricht in den Schulgesetzen der Länder gesetzlich zu verankern. Unabdingbar bleibt aber, stets zu berücksichtigen, dass jede Regelung
– pädagogisch begründet, rechtlich klar und ressourcenseitig abgesichert sein muss,
– die Unterschiede der Bildungsstände, Schulformen und Altersstufen berücksichtigt,
– eine klare Aufgabenteilung zwischen Land, Schulträger und Schule enthält.
Schule ist mehr als ein Lernort – sie ist ein Lebensraum. Digitalisierung kann diesen Raum erweitern, darf ihn aber nicht ersetzen.
Der ASD rät daher dazu, in einem abgestimmten Prozess gemeinsam mit allen Beteiligten – insbesondere mit den Schulleitungsverbänden – einen bundesweit anschlussfähigen Rechtsrahmen zu schaffen, der Distanzunterricht als komplementäre und rechtssichere Unterrichtsform etabliert.
Solche Regelungen tragen zur Entstehung eines modernen Schulwesens bei, das pädagogische Qualität, Chancengleichheit und Rechtssicherheit miteinander verbindet – und Schulleitungen die Sicherheit gibt, verantwortungsvoll zu führen, ohne alleinverantwortlich zu sein.
