Zur aktuellen öffentlichen Debatte über das „Stadtbild“ und Migration

Die jüngsten Äußerungen des Bundeskanzlers, in denen die Sichtbarkeit von Migration im „Stadtbild“
mit einem gesellschaftlichen Problem in Verbindung gebracht wurde, haben bundesweit eine Debatte
ausgelöst. Als Vorsitzender des Allgemeinen Schulleitungsverbands Deutschlands (ASD) sehe ich darin
weit mehr als eine parteipolitische Auseinandersetzung – es geht um die Frage, wie wir als Gesellschaft
über Vielfalt sprechen und welche Signale wir damit senden.


Schulen sind ein Spiegel unserer Gesellschaft.
In unseren Schulen lernen täglich Kinder und Jugendliche unterschiedlichster Herkunft miteinander.
Vielfalt gehört für uns zum Alltag – sie ist Chance, Herausforderung und Realität zugleich. Wenn der
öffentliche Diskurs Vielfalt indirekt problematisiert, spüren wir die Auswirkungen unmittelbar im
Schulklima:

  • Schüler*innen mit Migrationsgeschichte fühlen sich verunsichert oder ausgegrenzt.
  • Andere fühlen sich in Vorurteilen bestätigt.
  • Lehrkräfte und Schulleitungen geraten zusätzlich in schwierige Vermittlungs- und Erklärpositionen.

Demokratiebildung ist kein Randthema – sie ist Kernauftrag.
Die Schule ist der wichtigste Lernort für demokratische Werte, Respekt und gesellschaftlichen Zusammenhalt. Sprache prägt Wahrnehmung. Wer Probleme pauschal bestimmten Bevölkerungsgruppen
zuschreibt, riskiert gesellschaftliche Spaltung. Demokratiebildung bedeutet, genau hier gegenzusteuern: mit Dialog, Reflexion, Ambiguitätstoleranz und der klaren Unterscheidung zwischen Meinung und
Menschenwürde.


Schulleitungen brauchen Rückhalt und klare Rahmenbedingungen.

Wir stehen in der Verantwortung, demokratische Leitlinien im schulischen Alltag zu sichern – und
gleichzeitig Neutralitätspflicht und Wertehaltung auszubalancieren. Das gelingt nur, wenn Politik und
Gesellschaft uns dabei unterstützen, anstatt durch ungenaue oder polarisierende Aussagen zusätzliche
Spannungen in Schulen zu erzeugen.


Die grundlegenden Forderungen des ASD lauten daher:

  1. Verantwortung in der politischen Sprache:
    Worte haben Wirkung. Wer über Migration spricht, sollte differenzieren und Lösungen auf
    Sachebene benennen, ohne Gruppen pauschal zu problematisieren.
  2. Stärkung der Demokratiebildung:
    Politische Bildung muss verbindlich, praxisnah und professionell unterstützt werden – nicht als Zusatz, sondern als Fundament, eingebettet in jegliche schulische Tätigkeit.
  3. Unterstützung für Schulleitungen und Schulen:
    Wir benötigen Fortbildungen und Materialien sowie rechtliche Klarheit im Umgang mit kontroversen gesellschaftlichen Debatten für demokratisch fundierte Argumentation gegen Rassismus und
    Ausgrenzung.
  4. Gesellschaftliches Vertrauen in Schulen:
    Schulen leisten tagtäglich Integrations-, Präventions- und Demokratiearbeit. Diese Leistung
    braucht Anerkennung und Rückhalt, nicht Misstrauen.

Unser Ziel ist klar:
Schulen müssen Orte sein, an denen alle Kinderund Jugendlichen – unabhängig von der Herkunft –
lernen, dass sie Teil dieser Gesellschaft sind und sie mitgestalten dürfen. Das ist gelebte Demokratie.
Ich lade Politik und Öffentlichkeit ein, diese Verantwortung gemeinsam mit uns zu tragen. Denn eine
Gesellschaft, die Vielfalt als Stärke begreift, braucht Schulen, die genau das vorleben – und eine politi-
sche Sprache, die sie darin bestärkt.

S v e n W i n k l e r
Vorsitzender des Allgemeinen Schulleitungsverbands Deutschlands (ASD) e.V.